
Der hohe Preis des Geldspiels
Die Illusion vom schnellen Geld
10.07.2025
Wenn das vermeintliche Glück ins Unglück führt
Glücks- und Geldspiele sind kein bedenkenloses Freizeitvergnügen, auch wenn die Werbung etwas anderes vorgaukelt. Es ist an der Zeit, über die Risiken zu sprechen. Was macht diese stille, schambehaftete Sucht aus? Und wieso ist sie gerade im Sommer hochaktuell?
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Im Sommer finden viele grosse Sportanlässe statt, darunter die Fussball-Europameisterschaft der Frauen. Gerade der Fussball zieht sowohl als Sport wie auch als Wettangebot viele Menschen in seinen Bann. Trotz vermeintlich kluger Strategie ist das Voraussehen eines Spielergebnisses bei Sportwetten weitgehend vom Zufall abhängig. Statt Glück bleibt unter dem Strich ein Geldverlust. Der Sport dient generell als beliebte Werbeplattform für Geldspiel. Auch Casinos sponsern gerne SportlerInnen und Mannschaften, um an Sichtbarkeit
zu gewinnen.
Glücks- und Geldspiele (Sportwetten, Geldspielautomaten, Roulette, Online-Spiele etc.) können zu einem Kontrollverlust führen. Dieser führt zu Geldsorgen und wirkt sich auf die Gesundheit sowie soziale Beziehungen negativ aus. Und aus einer problematischen Nutzung kann eine Sucht entstehen. Rund 300’000 Personen oder 4,3% der Bevölkerung (15+) wiesen im Jahr 2022 eine problematische Nutzung von Geldspielen auf. Bei den 15- bis 24-Jährigen sind es mit gut 6% noch mehr. Eine Reklame auf einer Postquittung wirbt mit einem Bonus für ein Geldspiel. In einem städtischen Bus werben Onlinecasinos auf den Bildschirmen: Eine Familie spielt mit dem Smartphone um Geld und die Münzen sprudeln heraus. Auf einem Plakat badet ein Mann in Münzen, weil er während der Busfahrt den Jackpot geknackt hat. Der Klick zum Geld scheint so nah.
Die Geldspielwerbung ist allgegenwärtig und sie unterliegt in der Schweiz nur wenigen Einschränkungen. So lassen sich u. a. (bekannte) Personen (sog. Influencer:innen) einspannen, um in sozialen Medien und am Fernsehen zu werben. Auch das Sponsoring von Sport- und Kulturanlässen erreicht junge Menschen – obwohl Geldspiel unter 18 Jahren verboten ist.
Geldspielwerbung darf sich laut Gesetz nicht an Minderjährige richten, aber sie sind ihr dennoch ausgesetzt, wie eine Untersuchung von Sucht Schweiz bestätigt. «Die Werbung stellt Geldspiele als unterhaltsamen Zeitvertreib dar und vermittelt teilweise, dass man mit dem notwendigen Wissen Geld gewinnen kann; dies führt nachweislich zu einer positiven Einstellung. Die Risiken werden meist vollständig ausgeblendet», erklärt die Studienautorin Dörte Petit, Projektleiterin bei Sucht Schweiz.

Leere Versprechen
Die Werbung verspricht, schnell und mühelos zu Geld zu kommen, ein aufregendes Leben zu führen oder gemeinsam Spass zu haben. Die Realität sieht anders aus: Geldspiele sind kein unproblematisches Freizeitvergnügen. «Wir müssen uns bewusst machen, dass manche Menschen, die bereits Probleme aufgrund des Geldspiels haben, nicht einfach damit aufhören können, weil es so allgegenwärtig ist und aggressiv vermarktet wird», betont Dörte Petit. Statt schneller Gewinne geraten sie in die Schuldenfalle und leiden unter Existenzängsten, sozialer Isolation und Scham. Das kann teilweise sogar zu Suizid führen. Auch die Angehörigen leiden mit.
Sucht Schweiz hat dank Forschungsarbeiten und der Programmleitung von «Spielen ohne Sucht» (Spielsuchtprävention der 11 Kantone der Nordwest- und Innerschweiz) ein breites Fachwissen aufgebaut. Das hilft in der politischen Diskussion für einen besseren Spielendenschutz.
Eine stille Sucht
Man riecht nichts. Man sieht nichts. Eine Geldspielsucht ist häufig unauffällig. Für das Umfeld ist es schwierig, die Anzeichen einzuordnen. Ein paar Erkennungsmerkmale:
- Unbezahlte Rechnungen, Leihen von Geld bei Angehörigen oder im Freundeskreis
- Unruhe, Gereiztheit oder geistige Abwesenheit bei der betroffenen Person
- Immer mehr Zeit wird für das Geldspiel aufgewendet – auf Kosten von anderen Interessen und Pflichten.
Die Fachfrau Dörte Petit rät Angehörigen, ihre Sorgen ernst zu nehmen und sich Hilfe zu holen: Die Hilfsangebote stehen sowohl dem sozialen Umfeld als auch den betroffenen Personen zur Verfügung.
Das Suchtmittel ist die Hoffnung auf einen Gewinn
Eine Geldspielsucht hat für Betroffene und ihre Angehörigen weitreichende Folgen. Jeden Tag verlieren Menschen wegen grosser Überschuldung ihre Lebensgrundlage, ihre Familie und ihre Zukunft. Nach Verlusten jagen Betroffene dem nächsten Gewinn nach – in der verzweifelten Hoffnung, ihre Schulden zu tilgen. Eine teuflische Spirale, in der manche nicht davor zurückschrecken, das Sparkonto ihres Kindes zu plündern.
Die Geldverluste der Spielenden in der Schweiz stiegen von 1647 Mio. Franken im Jahr 2018 auf über zwei Milliarden Franken an (2023: 2066,9 Mio. Fr.). Die finanzielle Katastrophe lässt sich nicht «ewig» vor der Familie und Freunden verbergen, geschweige denn aufhalten. «Eine professionelle Begleitung hilft, die Geldspielsucht anzugehen – je früher, desto besser», sagt Petit.
Geldspielsucht wird stigmatisiert
Viele Betroffene suchen, wenn überhaupt, erst spät Hilfe. «Das hängt auch damit zusammen, dass sie sich schämen und schuldig fühlen. Dabei haben sie einen immensen Leidensdruck», betont Dörte Petit. Zu gross sind die Scham, aber auch die Versagensgefühle. Leider kann die Scham den Teufelskreis der Sucht aufrechterhalten oder gar verlängern.
Darüber sprechen erleichtert die Hilfesuche
Sucht Schweiz spricht die Problematik deshalb öffentlich an und verbreitet Informationsmaterialien – immer auch mit dem Ziel, die Hilfesuche zu erleichtern. Zudem unterstützen wir Betroffene in Notlagen aus dem Hilfsfonds. Ein grosser Dank gilt den Spenderinnen und Spendern, die diese Hilfe möglich machen.
Eine Flut von Anreizen verleitet zum Geldspiel
Sucht Schweiz untersuchte jüngst alle Formen von Anreizen im Zusammenhang mit Glücks- und Geldspielen, denen 16- bis 18-Jährige ausgesetzt sind – sowohl im öffentlichen Raum in der Stadt Genf als auch im Internet.
Insgesamt wurden 200 Anreize auf typischen Wegen der Jugendlichen in der Stadt erfasst. Ein grosser Teil machen Werbe- und Sponsoringelemente aus. Dazu kommen Anreize wie Glücks- und Geldspiele in Form von Spielzeug oder Preisausschreiben. Botschaften, die das Bewusstsein für die Risiken schärfen, waren in den Beobachtungen so gut wie nicht vorhanden.
Die Jugendlichen begegneten zudem über 200 Anreizen während zusammengenommen 91 Stunden Surfen im Internet. Diese umfassen legale Schweizer Anbieter von Online-Spielen, Influencer, die Inhalte verbreiten, welche das Spiel aus einer Lifestyleoder humorvollen Perspektive darstellen, sowie illegale ausländische Angebote und sogar Werbung für kostenlose Spiele, die Geldspiele imitieren.
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