NEIN zu gefährlichen Kürzungen in der Suchthilfe und -prävention!
15.05.2025
Die von Bundesrat und Parlament beschlossenen Sparmassnahmen führen zu massiven Kürzungen im Bundesamt für Gesundheit (BAG). In den Bereichen Sucht und Nichtübertragbare Krankheiten (NCDs) sind für das Jahr 2025 knapp einen Viertel des Budgets davon betroffen. Da die Probleme bereits heute zunehmen, sind diese Entscheide unverantwortlich. Jeder Abbau im Suchtbereich führt zu einer Verschärfung der Probleme und zu Kosten, welche die Einsparungen bei weitem übersteigen werden. Die Suchtfachorganisationen in der Schweiz schlagen Alarm: Nein, es ist nicht die Zeit für Budgetkürzungen in der Suchtprävention und der Suchthilfe. Dazu wird heute eine nationale Petition lanciert.
In der Schweiz leben heute schätzungsweise 250’000 Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit, mehrere hunderttausend Menschen mit einer Abhängigkeit von Zigaretten und anderen Nikotinprodukten und mehrere Zehntausend konsumieren täglich illegale Drogen. Der Substanzkonsum verursacht in der Schweiz jährlich mehr als 11’000 vermeidbare Todesfälle. Rund 300’000 Personen zeigen ein problematisches Spielverhalten. Suchtkrankheiten verursachen in der Schweiz einen volkswirtschaftlichen und sozialen Schaden von rund 8 Milliarden Franken pro Jahr.
Ausgabensenkung bedeutet Kostensteigerung
Die Prävention und die Suchthilfe reduzieren nachweislich Leid und Kosten: Nach einer Studie spart jeder in die Prävention investierte Franken im Alkoholbereich 23 Franken an indirekten Kosten, im Tabakbereich sogar 41 Franken (Jeanrenaud 2010). Trotzdem wurde beschlossen, knapp einen Viertel des Budgets in den Bereichen Sucht und Nichtübertragbare Krankheiten (NCDs) zu streichen. Dies wird unweigerlich zu mehr Suchtproblemen, mehr Leid bei Betroffenen und ihren Angehörigen sowie zu höheren volkswirtschaftlichen Kosten führen. Die Kosten werden die eingesparte Summe um ein Vielfaches übersteigen.
Auch die Bevölkerungsumfragen zu Konsumprävalenzen sollen aufgrund der Sparmassnahmen stark reduziert und im Sektor des Geld- und Glücksspiels sogar ganz abgeschafft werden. Dadurch fehlen im Suchtbereich wichtige Informationen über das Ausmass der Probleme und das Auftreten neuer Suchtphänomene. Die Suchtprävention und die -hilfe werden so zu einem Blindflug, was ihre Möglichkeiten weiter einschränkt und uns eines Warnsystems für neue Entwicklungen beraubt.
Crack-Krise, Fentanyl-Bedrohung und weitere Herausforderungen – jetzt handeln
Generell verschlechtert sich die psychische Gesundheit bei Jugendlichen, die Konsumprävalenzen stagnieren oder steigen je nach Substanz und Alter sogar an, und es kommen ständig neue – legale und illegale – Produkte auf den Markt. Auch bei den Verhaltenssüchten zeigt sich eine zunehmende Problemlast, verstärkt durch digitale Anwendungen, die vermehrt so konzipiert werden, dass ein möglichst grosses Abhängigkeitspotenzial entsteht.
Darüber hinaus sehen sich die Städte und die Suchtfachleute mit einer seit dreissig Jahren nicht mehr dagewesenen Herausforderung konfrontiert, nämlich mit der Crack-Krise, die sich in einer zunehmenden Verbreitung des öffentlich sichtbaren Konsums und einer Zunahme der komplexen und prekären Lebenssituationen der Betroffenen zeigt. Eine weitere zukünftige Herausforderung ist die mögliche Bedrohung durch synthetische Opioide (Fentanyl und weitere) für die Schweiz. Um diesen Entwicklungen zu begegnen, braucht es eine vorausschauende Suchtstrategie und die entsprechenden finanziellen Mittel dafür. Sparen in diesem Feld bedeutet, die Kontrolle zu verlieren und die Folgen auf die Betroffenen und die gesamte Gesellschaft abzuwälzen.
Um die aktuellen Herausforderungen anzugehen, braucht es ebenso eine strategische Vision und eine suchtpolitische Zielsetzung des Bundes. In den 1990er Jahren, als die Schweiz eine schwere Krise im Zusammenhang mit dem Heroinkonsum durchlebte, haben sich der Bundesrat und die Verwaltung engagiert und gemeinsam mit den Fachpersonen vor Ort, den Forschenden, den Kantonen und Städten nach Lösungen gesucht. Diese koordinierte Herangehensweise ermöglichte die Entstehung der Vier-Säulen-Politik und die Bewältigung der Krise.
Keine Kürzungen, Stärkung der Strategie und Lancierung einer Petition
Heute schlagen die Suchtfachorganisationen Alarm: Es ist der denkbar schlechteste Zeitpunkt für Einsparungen im Suchtbereich. Im Gegenteil: Wir brauchen eine Stärkung der Nationalen Strategie Sucht und der Mittel, die für die Suchtbekämpfung und die Unterstützung der Betroffenen eingesetzt werden. Um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen, brauchen wir eine ambitionierte Bundespolitik mit einer klaren strategischen Vision. Leider ist die Sparübung nicht auf das Jahr 2025 beschränkt, und der Bundesrat plant bereits jetzt weitere Kürzungen für die kommenden Jahre, insbesondere im Rahmen seines Entlastungsprogramms 2027.
In einer Zeit, in der die Herausforderungen im Suchtbereich omnipräsent sind, ist es ein Fehler, Sparmassnahmen umzusetzen und die grosse Erfahrung aus der Suchtpolitik und -wissenschaft der letzten 40 Jahre zu ignorieren. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, starten wir heute eine Petition bei der Fachwelt und der Bevölkerung.
Kontakte für Medienauskünfte
Deutsch:
Facia Marta Gamez,
Co-Generalsekretärin Fachverband Sucht,
[email protected],
076 830 20 65
Christina Messerli,
Bereichsleiterin Beratung und Therapie Berner Gesundheit,
Vorstandsmitglied Fachverband Sucht,
079 379 86 61
Toni Berthel,
Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin SSAM,
079 232 47 57
Français :
Camille Robert,
co-secrétaire générale du GREA,
[email protected],
078 891 39 41
Tania Séverin,
Directrice d’Addiction Suisse,
[email protected],
021 321 29 67
Italiano :
Marcello Cartolano,
Presidente di Ticino Addiction,
[email protected],
076 423 78 44
